Awareness-Leitfaden
Seit Anfang 2023 gibt es einen Awareness-Leitfaden für Veranstaltungen in der Stadt Leipzig, herausgegeben von der Stadtverwaltung Leipzig.
Was bedeutet Awareness?
Awareness (engl. Bewusstsein) steht vor allem für Anti-Diskriminierungs-Arbeit und Gewaltprävention im Veranstaltungsbereich. Dies umfasst präventive Vorkehrungen zur Verhinderung und Sicht-barmachung von Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen sowie das Einrichten von Anlaufpunkten zur sofortigen Unterstützung von Betroffenen als auch die Entwicklung von Maßnahmen auf Basis von Praxiserfahrungen.
Das Hauptanliegen besteht nicht darin, Vorfälle zu bewerten oder aufzuklären, sondern darin Betroffenen einen Schutzraum sowie individuelle Unterstützung anzubieten. Awareness ist kein starres Konzept, sondern eine angepasste Praxis an die Rahmenbedingungen der jeweiligen Veranstaltung.
Haltung
Die Stadt Leipzig versteht sich als weltoffene, pluralistische und diverse Stadt, die auf Vielfalt und gemeinsame Verantwortung baut und sich zum Ziel setzt, dass alle Menschen unabhängig von Alter, Aussehen, Beeinträchtigung, Biografie, Geschlecht, Religion, sexueller Identität oder sexueller Orientierung, sozialem Stand, Weltanschauung oder anderen Diversitätskategorien gleichberechtigt und respektvoll miteinander leben. Dies soll sich auch auf den in der Stadt Leipzig durchgeführten Veranstaltungen widerspiegeln.
Wichtig ist ein respektvolles Miteinander, welches die Grenzen und Bedürfnisse aller Anwesenden einer Veranstaltung – unabhängig von der Größe – akzeptiert und angemessen berücksichtigt.
Privaten und städtischen Veranstalter/-innen wird die entsprechende Umsetzung des vorliegenden Leitfadens bei jedweder Art von Veranstaltungen in städtischen Immobilien sowie auf öffentlichen und privaten Flächen mit Nachdruck empfohlen.
Warum braucht es ein Awareness-Konzept?
Awareness leistet einen Beitrag zur Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls aller Beteiligten und beeinflusst auch die objektive Sicherheit positiv. Ein nachhaltiges Awareness-Konzept hilft den Veranstalter/-innen, denn sie setzen sich im Vorfeld des Events damit auseinander:
- welche Atmosphäre geschaffen werden soll,
- welche Strukturen benötigt werden und
- welche Maßnahmen im Bedarfsfall durch wen ergriffen werden können.
Auf diese Weise kann ein Awareness-Konzept vor Überforderung und Hilflosigkeit schützen, indem es die Handlungsfähigkeit der Verantwortlichen sichert und vor Image- und finanziellen Verlusten in der Zukunft schützt. Schließlich kann es dazu beitragen, nachhaltige Strukturen zu etablieren, die auch für weitere Veranstaltungen präventive Wirkung entfalten, Teilhabe ermöglichen und Ausschlüsse im Vorhinein verhindern.
Besucher/-innen und alle anwesenden Personen (z. B. Mitarbeiter/-innen, Honorarkräfte, Security) werden bereits vor der Veranstaltung für einen achtsamen Umgang miteinander sensibilisiert. Indem eigenes, potentiell grenzüberschreitendes Verhalten als solches reflektiert wird, kann Grenzverletzungen vorgebeugt werden. Sollte es zu übergriffigem Verhalten kommen, können die Betroffenen von souveränen, zuverlässigen und sensibilisierten Unterstützungsstrukturen aufgefangen werden. Im Bedarfsfall kann an weitere Unterstützungseinrichtungen und Hilfesysteme verwiesen werden oder auch Maßnahmen eingeleitet werden (z.B. Strafverfolgung).
Checkliste für die Erstellung und Umsetzung eines Awareness-Konzeptes
Die Checkliste dient als Leitfaden und ist an die Bedingungen der jeweiligen Veranstaltung hinsichtlich Größe, Besucherzahl, Zielgruppenstruktur und örtliche Gegebenheiten anzupassen.
Interne Haltung klären
- Veranstaltungsteam einigt sich auf gemeinsame Haltung in Bezug auf das Thema (Schulungen und Erstellung eines Verhaltenskodex empfohlen)
Sicherheitskonzept
- Individuelle und strukturelle Diskriminierung, Überforderungserfahrungen und Grenzüberschreitungen als Teil der Risikoanalyse im Rahmen des Sicherheitskonzeptes (Rückgriff auf objektive Daten empfohlen)
- Geeignete Maßnahmen ableiten (s. weiterer Verlauf)
Marketing (Außenkommunikation)
- erfolgt diskriminierungsfrei in Wort und Bild
- Haltung der Veranstaltenden zum Thema wird vorab öffentlich transportiert (z.B. Kommunikation der Werte über das Ticketing und/oder über Werbematerialien)
Booking (Programmplanung)
- Systematische Benachteiligung von Künstler/-innen reduzieren, welche sich den oben genannten Diversitiy-
- Kategorien zuordnen und gleichgestellte Teilhabe ermöglichen
Awareness-Teams
- sind geschult (Ansprechpartner: z.B. Initiative Aware-ness Leipzig)
- agieren nach den Prinzipien Freiwilligkeit, Vorhersehbarkeit, Parteilichkeit
- ersetzen keine Security, sollten aber Teil des Sicherheitskonzeptes sein
- sind berechtigt gemäß Hausordnung, Konsequenzen für abweichendes Verhalten auszusprechen (Verweise o.ä. werden vom Sicherheitspersonal umgesetzt)
- sind divers aufgestellt (Geschlecht, Herkunft, Alter etc.)
- sind tätig nach dem Peer-Ansatz, passend zu Gästen (Niedrigschwelligkeit)
- werden in Gruppen aus mindestens 2 Personen eingesetzt
- sollten in einer ausreichenden Anzahl geplant sein in Bezug auf die Größe, Art und Dauer der Veranstaltung; z.B. Minimalbesetzung 2 Personen bei kleinen Veranstaltungen (bis 300), 4-8 Personen bei Fußballspielen 1. Liga (bis 40.000), maximale Schichtlänge 6 Stunden
- werden im kommerziellen Kontext angemessen bezahlt
- kommunizieren untereinander sowie mit dem Veranstaltungsteam und sichern die Erreichbarkeit durch Betroffene während der Veranstaltung ab (z. B. Notfalltelefon)
- sind ausgestattet mit Informationsmaterialien für Betroffene (Flyer zu Hilfsangeboten etc.)
- verantworten die anonyme Fallerfassung (Uhrzeit, Thema, Unterstützungsdauer, notwendige Ressourcen)
Veranstaltungsort und Veranstaltungsteam
- Awarenessteams sind integraler Bestandteil der Gesamtstruktur und werden während der Veranstaltung miteinbezogen.
- Schilder/Flyer weisen auf Awareness-Teams hin (Eingangszone, Bar, Toiletten) sowie auf konkrete und niederschwellige Kontaktangebote (Email, Telefonnumer, WhatsApp-Nummer, Ansprechpersonen etc.),
- Einzurichten sind Rückzugsraum oder –räume (Anzahl je nach Größe der Veranstaltung): hier können sich Gäste zurückziehen, denen es nicht gut geht (Aufteilung von Ruhe- und Gesprächsbereich, Bereitstellung von Wasser, Decken etc.)
- Barrierefreiheit herstellen und über bestehende Barrieren vorab informieren.
- Alle Kontaktangebote sind niederschwellig zu gestalten.
- Risikoanalyse im Vorhinein: Begehung der Räumlichkeiten/Orte und Beobachtung der eigenen Veranstaltungen, damit Gewalt und Diskriminierung entgegengewirkt werden kann bzw. Barrieren beseitigt werden können (z.B. Begehungen, MA-Befragungen)
- Kostenlose Verfügbarkeit von Leitungswasser ermöglichen.
- Das preiswerteste Getränk ist alkoholfrei.
Security
- Schutz gewähren und vom Hausrecht Gebrauch machen und durchsetzen
- arbeitet mit Awareness-Teams gut abgestimmt zusammen (Teams können sich gegenseitig jederzeit erreichen und Unterstützung anfordern)
- deren Beschäftigten erhalten Awareness-Schulungen
- unterstützt die Awarenessteams (z.B. Hausrecht durchsetzen)
Crew & Dienstleistende
- Angebote für Awarenessschulungen unterbreiten
- Vertragsanpassungen und AGB-Änderungen, um dis-kriminierungssensibles Verhalten zum Gegenstand der Zusammenarbeitsbedingungen zu machen
Integration in Gesamt-Sicherheitskommunikation
- Abstimmung mit anderen Gewerken zur Umsetzung und Unterstützung des Awarenesskonzeptes (Rettungsdienst, Ordnungsdienst, Gastronomie, Stände, Polizei etc.)
- Kommunikative Schnittstelle zur Angliederung und für den Austausch mit Gewerken vor Ort (Ansprechpartner: z.B. The Guardian Angels)
Beschwerdestelle und Nachbereitung
- Anonyme Meldestelle (E-Mail, WhatsApp) inklusive Informationsangeboten für Fälle von Diskriminierung, die nicht vor Ort zur Sprache gebracht wurden
- Nachbereitung der dokumentierten Vorfälle vor Ort
- Nachbesprechung der Zusammenarbeit und der Abläufe sowie Anpassung der Planung